Warum ich „Arzt im Krieg“ geschrieben habe


Im Medizinstudium lernt man, auf Hygiene und Asepsis zu achten. Das gilt vor allem in Operationssälen – in Friedenszeiten! Irgendwann kam mir der Gedanke: Wie war das eigentlich im Krieg? Offene Verletzungen entstanden oft mitten in Schlamm und Dreck der Schützengräben. Transportiert wurden die Verwundeten unter widrigsten Umständen über –zig Kilometer und operiert wurde auf den frontnahen Verbandsplätzen ohne Handschuhe. Auch fragte ich mich, wie die Verwundeten ihre schweren Verletzungen seelisch verkraftet haben, ebenso, wie die Ärzte in Großkampfzeiten das pausenlose Elend aushalten konnten. Schließlich betraf es vorwiegend junge Männer im Teenager- und Twen-Alter, denen sie unter Umständen stunden- und tagelang Gliedmaßen amputieren oder sie einfach sterben lassen mußten.
Heute ist es für einen 18jährigen jungen Mann selbstverständlich, die Schule zu besuchen oder eine Lehre zu machen, in Diskos oder Bierzelte zu gehen, frei und Herr des eigenen Lebens zu sein, CDs, ein gutes Handy, einen Motorroller oder was immer für Luxusgüter zu besitzen. Damals wäre der gleiche 18jährige junge Mann Soldat gewesen, Geschosse hätten um ihn eingeschlagen, die ihn verstümmeln konnten, Panzer wären auf ihn zugerollt, bereit, ihn zu zermalmen. Wie hielten die so in Lebensgefahr Gebrachten das aus? War unter Kriegsbedingungen ärztliche Arbeit überhaupt möglich?
Für die Beantwortung dieser Fragen wählte ich den Krieg aller Kriege: das vierjährige Ringen zwischen dem damaligen Deutschen Reich und der damaligen Sowjetunion. Wichtigste Informationsquelle waren mir Zeitzeugen, also deutsche und sowjetische Ärzte und Ärztinnen. Heraus kam „erzählte Geschichte“, die unter dem Etickett „oral history“ auch in Fachkreisen anerkannt wird.
Es begab sich, daß die medizinische Tageszeitung, der ich als Chefredakteur vorstand, unter den roten Zahlen, die sie seit ihrem Start im Jahr 1985 eingefahren hatte, endgültig in die Knie ging. 1990 hatte ich die „Neue Ärztliche“ übernommen, kein Jahr später machte sie dicht. Mein Glück war, einen Dreijahresvertrag abgeschlossen zu haben, so daß ich zwei Jahre lang Zeit hatte, Antworten auf meine Fragen zu finden. Ich verdanke also die Möglichkeit, das Buch zu schreiben, der FAZ, die die „Neue Ärztliche“ gegründet hatte, um der ersten Tageszeitung für Ärzte überhaupt, Paroli zu bieten. Das war die schlicht sogenannte „Ärztezeitung“, bei der ich medizinjournalistisch reüssiert habe. Dem Mißlingen des „Neue Ärztliche“-Projektes, das ich trotzdem bedaure, verdankt „Arzt im Krieg“ seine Existenz.


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