Warum ich „Biochemische Persönlichkeitsforschung“ geschrieben habe


Meine philosophische Doktor-Arbeit verschlug mich anfang der 1980er Jahre ins Neurochemische Labor der Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf (UKE). Ursprünglich als medizinische Doktor-Arbeit konzipiert, sprengte die Fragestellung, wie bei mir leider oft üblich, bald jeden Rahmen. Auf jeden Fall die Komplexität und den normalen Umfang einer medizinischen Doktor-Arbeit. Deshalb wurde sie zur philosophischen Doktorarbeit, um damit den Abschluß im Studienfach „Philosophie“ zu machen
Das Thema hieß schließlich: „Wissenschaftliche Perspektiven und Grundzüge einer biochemischen Persönlichkeitsforschung, dargestellt im Rahmen einer empirischen Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Katecholaminstoffwechsel und Emotionalität“. Letztendlich umfaßte die Arbeit 586 Din-A-4-Seiten und 1317 wirklich gelesene und nicht nur weiterzitierte Literaturstellen. Mit anderen Worten: Ich war sehr fleißig.
Mein Anliegen war kein geringeres als eine Methode zu versuchen, Persönlichkeitseigenschaften von Menschen mit biochemischen Meßwerten statistisch möglichst signifikant in Verbindung zu bringen. In der Hitze meiner Jugend verstand ich dies als Grundlegung einer „Biochemischen Persönlichkeitsforschung“, flankierend zur gängigen „testpsychologischen Persönlichkeitsforschung“. Vor allem am Hamburger psychologischen Institut fand dieses Verständnis von Psychologie in Professor Kurt Pawlik einen maßgebenden Repräsentanten, und ich gestehe – im nachhinein selbst verwundert –, daß ich seine statistisch-methodischen Vorlesungen und Seminare mit Begeisterung goutiert habe.
Grundsätzlich war mein Ansatz, Persönlichkeitsmaße mit biochemischen Maßen zu korrelieren, keineswegs neu. Er war zu dem Zeitpunkt in der sogenannten Biologischen Psychiatrie sogar schon ziemlich zu Tode geritten, was nicht heißt, daß heute noch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten mit diesem Forschungsansatz erscheinen. Das Neue meiner Arbeit war, daß ich nicht psychiatrische Patienten untersuchte, sondern psychisch unauffällige Personen und daß ich deren Persönlichkeitsmaße nicht mit einem einzelnen hirnbezogenen Enzym beforschte, sondern mit den drei für den Katecholaminstoffwechsel des Gehirns wichtigsten Enzyme: Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin.
Dank Professor Hanns Hippius, damals Ordinarius für Psychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, begann sich der Springer Verlag Heidelberg für meine Arbeit zu interessieren, und so schaffte es ich unbekannter Mensch, der nirgends im universitären Lehrbetrieb anzusiedeln war, tatsächlich mit einer Monographie den Sprung in die wissenschaftliche Öffentlichkeit. Im Prinzip wenigstens. Denn bewirkt hat es nichts. Die in meinem „Abrechnungsbuch“ angeprangerte „Mal-gucken-was-passiert-Forschung“ wird noch heute betrieben und vollmundig interpretiert.


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