Warum ich "Die Kunst des Erkennens" geschrieben habe


Ich sehe die Geschichtsschreibung von außen – nicht als Mitglied der Wissenschaftlergemeinde, nicht hineingewachsen in einen normierenden akademischen Diskurs. Und ich bin beeindruckt von der Gründlichkeit und dem Fleiß der Historiker bei der Quellensuche, von dem Übermaß an intimer Kenntnis der Fakten und von ihrer Fantasie. Zugleich verwundert mich, warum die Menschen aus der Geschichte trotzdem nichts lernen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich erkannte, daß diese historische Begriffsstutzigkeit eine Folge der Geschichtsschreibung selbst ist. Denn jede Erzählung von der warmen Stube bis in die Hörsäle ist chronologisch. Symbolische Erzählungen sind die Ausnahme. In keiner Geistes- also Menschen-Wissenschaft läßt sich aber das Vergangene in die Zukunft extrapolieren. Ein aktuelles Beispiel sind die blamablen Auftritte aller Experten in der Corona-Krise, die sich, von Journalisten auf das Blitzeis der Prognose geführt, zu Hellsehern mutierten und versagten. Von früheren Pandemien hört man wenig, weil man das Gleiche im scheinbar Verschiedenen nicht sieht. Vermeintlich ist heute alles ganz anders. Das aber ist ein Fehlschluß. Die Entzeitlichung der Geschichtsschreibung durch das Erkennen von nicht literarischen, sondern Verhaltens-Mustern der Akteure eröffnet uns eine Vergleichende Geschichtsforschung, objektiviert die Geschichtsschreibung und entzieht sie der Möglichkeit des Mißbrauchs.


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